Von der Bundesliga zum Radwandern …
Hallo Leute,
von der Bundesliga zum Radwandern. Dazu gleich mal zwei wichtige Punkte. Es gibt nicht nur eine Bundesliga im Fußball und Radwandern ist nicht mit einem Spaziergang zu verwechseln. 😉
Nun zum Thema. Mein Cousin Uli ist ein gebürtiger Saarländer und ebenfalls mit dem Bewegungs-Gen ausgestattet. In seiner Jugend war er ein sehr erfolgreicher Freistil Ringer in der Ringer Bundesliga. Ferner war er Mitglied in der Nationalmannschaft. Wie das Leben leider so spielt, wurde seine erfolgreiche Karriere durch Verletzungen dann gebremst. Aber das sollte ihn nicht abhalten seinem Sport als Mentor und Förderer weiter zur Verfügung zu stellen. Nur das aktive Ringen wurde langsam eben weniger. Es musste also ein Ersatz gefunden werden um das Bewegungs-Gen zufrieden zustellen.
Die Wahl viel auf den Radsport. Gefördert wurde die neue Leidenschaft durch den beruflich erforderlichen Umzug nach Österreich, genauer zum Ort Mondsee am wunderschönen gleichnamigen Mondsee.
Nun im Radsport gibt es sehr viele verschiedene Disziplinen. Zwei davon betreibt mein Cousin Uli schon seit über einem Jahrzehnt. Rennrad fahren und Mountainbike fahren. Alpenüberquerungen und einiges mehr und auch Jedermann Rennen hat er schon absolviert. Seit etwa zwei Jahren hat er auf das Radwandern quasi umgesattelt. Radwandern hört sich etwas gemütlich an, ist es allerdings in keinster Weise. Das Rad voll bepackt, mit allem was man/n braucht geht es täglich auf Strecken von 150 Km gespickt mit vielen Höhenmetern. Mit einem Renner schon anstrengend, mit 15 Kg Gepäck, durch Wind und Wetter, unter Umständen eine sportliche und willentliche Herausforderung.
Im letzen Jahr war er mit seiner Lebensgefährtin Alexandra über 3 Wochen auf dem Jakobsweg unterwegs Richtung Santiago di Compostella. Gestartet wurde damals am Fuße der Pyrenäen. Dieses Jahr steht eine Deutschland Umrundung der Beiden auf dem Plan.
Um in Form zu kommen hatte Uli die Idee, mit dem Rad von Mondsee bis Würzburg zu fahren, wo er von seiner Frau erwartet wurde. Natürlich mit Gepäck und wie sich im Nachhinein rausstellte mit viel Gegenwind. Seine Erlebnisse und Eindrücke hat er mir zur Verfügung gestellt.
Tag 1
Am 8. April ging es morgens gegen 10.00 Uhr bei ca. 8 Grad Celsius los. Das Rad war sorgfältig gepackt. Den Mondsee und die Heimat im Rücken ging es die ersten 30 Km gegen den Wind. Die Anstrengung forderte dann auch Tribut. Einen Hungerast plagte Uli. Das ist so das schlimmste was passieren kann. Und das schon am Anfang der Tour. Es standen ja noch 400 Km bevor. Im Vorraum einer Bank machte Uli dann eine Brotzeit und wärmte sich wieder auf. Den Bankangestellten war der Besucher sehr verdächtig. Eine neue Masche, die Bank zu überfallen?
Gestärkt ging es dann weiter Richtung Braunau. Eine gute Stunde war wieder vergangen da lagen die Kräfte wieder darnieder. Diesmal war es kein Banküberfall sondern Uli überfiel ein gediegenes Café und versorgte sich mit Süßem und Kaffee. Irgendwie war der erste Tag nich so optimal. Nach weiteren 3 Stunden in der Einöde Niederbayerns, waren die Kräfte erneut erschöpft. Die Route führte über Feldwege, Seitenstraßen oder Waldwege. Kein Geschäft, keine Tankstelle, nichts um die Energiespeicher wieder zu füllen. Die Rettung war eine ältere Dame in einem kleinen Ort, welche Uli mit Cola und Wasser versorgte. Hier kam mal wieder ein Vorteil zum Tragen, wenn man mit dem Rad reist. Uli konnte mit der Dame ein sehr angenehmes Gespräch über den Sinn des Lebens, wie auch seine Erlebnisse auf dem Jakobsweg führen.
Die Übernachtung war nicht gebucht, aber in Wörth an der Isar geplant. Beim Plan blieb es auch, kein Zimmer frei, also 15 km weiter fahren. Bei einsetzender Dunkelheit fand er überglücklich eine Unterkunft in Landshut. Nach über 160 Km, völlig kaputt, gab es ein gutes Essen und anschließend rief das Bett.
Tag 2
Ausgeschlafen und mit einem guten Frühstück wurde das Rad wieder gesattelt. Das Wetter schien perfekt, Sonne und angenehme Temperaturen. Auch der ständige Begleiter, der Gegenwind, war wieder am Start. Noch eine Schwierigkeit gab es. Am Tag zuvor ist Uli trotz Garmin GPS wohl etwas von der Route abgekommen. Aber Uli gehört noch zu der Generation, welche den Weg ohne GPS wieder findet. Wieder auf der richtigen Route ging es Richtung Kehlheim an der Donau mit dem Versuch, den 22er Schnitt trotz permanentem Gegenwind zu halten. Das kostet Kraft, logisch. In Riedenburg am Main Donau Kanal sah das Gasthaus Kini verlockend aus. Also Mittagspause.
Serviert wurden Kini Gröstl auf der Terrasse bei angenehmen 16 Grad. Gestärkt ging es dann Richtung Beilgrieß. Die Temperaturen erreichten jetzt sommerliche Werte von 27 Grad. Diverse Serpentinen und das fränkische Seenland war erreicht. Auf einer Bergkuppe mitten in der Wiesenlandschaft wurde Uli von einem Bauer gestoppt. Der ist wohl vom Traktor gesprungen und Uli entgegen gelaufen. Uli schätzte das Alter auf gut über 70. Was will der? Die Lösung war, er hatte Uli mit dem Gepäck am Rad gesehen und fragte interessiert wo er herkomme und wo es noch hingehen soll. Uli wurde in ein kurzes Gespräch vertieft und von dem Bauern zum Kaffee eingeladen. Kurzes Gespräch? Auf die Frage von Uli, wie weit es noch nach Gunzenhausen ist, Ziel des heutigen Tages, meinte der Bauer gute 40 Km. Kaffeetrinken viel dann leider aus und er machte sich auf den weg um vor der Dunkelheit anzukommen. Die letzten Kilometer der Tagesleistung von 172 km zeigten mal wieder wie hart es sein kann mit dem Rad unterwegs zu sein. Ständiger Gegenwind und eine sich langsam einschleichende Erschöpfung, die auch dem Gepäck von 6 Kg am Rad geschuldet sind, machten die Fahrt zum Ziel Gunzenhausen nicht einfacher. Hier ist mentale Kraft und Wille gefragt. Wo Schatten ist, ist auch Licht. Gleich beim ersten Gasthof gab es ein freies Zimmer. Das essen passte (wichtig!) und das Bett auch.
Tag 3
Am dritten Tag waren die Beine wohl endlich an die langen Strecken gewöhnt. Sie fühlten sich gut an. natürlich gab die letzte Etappe auch noch einen positiven Schub. Oder es waren die vielen Trainingseinheiten im Winter beim Skilanglauf. Die Beine dachten wohl jetzt, da war doch was. Egal, gegen 9.00 Uhr ging es dann bei strahlendem Sonnenschein los, Richtung Ziel Würzburg. Entlang am wunderschönen Altmühlsee, durch malerische fränkische Ortschaften aneinander aufgereiht, an dem Flüsschen Altmühl. Gegen 11.00 Uhr verlangte der Motor nach einem zweiten Frühstück. In den Augen stand nur noch Reserve. Der zweite Überfall von Uli auf ein Café bei dieser Tour stand an. Kohlehydrate in Form von zwei Stück Käsekuchen und einem Cappuccino füllten wieder die Speicher. Weiter ging es in Richtung eines sehr bekannten Ortes, Rotenburg ob der Tauber. Ein absoluter Höhepunkt der Tour. Ein paar Fotos vom Marktplatz gemacht und die Überlegung, ob er hier Mittag machen solle? Aber das Ziel war nicht mehr weit, also keine Mittagspause und weiter durch das herrliche Taubertal. Malerische Landschaftseindrücke begleiteten Uli auf der Fahrt. Schöne Landschaftseindrücke sorgten bei Uli für große Euphorie und er drückte richtig auf’s Tempo. Die Tachonadel zeigte einen 30er Schnitt. Das blieb natürlich nicht ganz ohne Folgen. Und wieder stand in den Augen „Reserve“. Der Ofen war aus. Die Rettung war ein Edeka Lebensmittelmarkt. Ein lecker Fladenbrot mit Schinken oder waren es zwei? Der Hunger war wieder schnell vergessen und das Ziel Würzburg nur noch zwei Stunden entfernt. Und ob dies alles nicht schon anstrengend genug war, ging es nun nur noch auf und ab. Mit Spitzen von 18% Steigung mobilisierte Uli die letzten Reserven und erreichte sein Ziel. Das Beste kam dann nach der Tour, er konnte seine Frau in die Arme nehmen. Diese machte ihm dann ganz nach saarländischer Art „Kärschdcha“ ??? Bratkartoffeln. 😉 Was man nicht alles auf sich nimmt um eine Portion Bratkartoffeln zu bekommen. Müssen die gut geschmeckt haben.
Wie schon erwähnt ist Uli zum Radwandern gekommen. Und wie man lesen konnte, ist das kein Spaziergang. Ich selbst fahre schon 25 Jahre Rad. Aber nur Rennrad und Mountain Bike. Ich hätte wohl keine Geduld, solche Strecken mit Gepäck am Rad zu absolvieren. Daher habe ich dafür größten Respekt vor den Menschen, die dass machen. Uli hatte im letzten Jahr mit seiner Frau Alexandra, wie auch schon erwähnt, den Jakobsweg mit Rad und Gepäck absolviert. Der Grund war ein persönlicher Schicksalsschlag, welcher mit dem Pilgern per Rad auf dem Jakobsweg verarbeitet wurde. Aus solchen Erlebnissen auf dem Rad, Schmerzen, Erschöpfung, Hunger und Durst, kann man nur gestärkt hervorgehen. In unserer schnelllebigen Welt heute, wo alles im Überfluss und Selbstverständlich ist, eine besondere Erfahrung. Wer es eben auch dann macht.
Wäre Uli die Strecke mit dem auto gefahren, was er schon sehr oft gemacht hat, wäre er schneller und bequemer am Ziel angekommen. Er hätte aber keine Abenteuer erlebt, keine Eindrücke der Natur sammeln können und er wäre nicht in interessante Gespräche mit Menschen verwickelt worden.
Glückwunsch an Uli, dass er diese 463 Km in drei Tagen trotz aller Widerstände so absolviert hat.
Aber einen Tipp hätte ich dann doch noch für Uli … Du musst an deiner Grundlagenausdauer noch ein wenig arbeiten. Dann geht der Tank auch nicht so schnell leer. 😉
Grüße Hans
Ein paar Impressionen von Uli über seine Marathonfahrt über drei Tage.
Für alle die die Strecke mal nachfahren hat Uli uns die GPS Daten aufgezeichnet. Wenn Ihr mit der Maus oben links im Höhendiagramm vorbei fahrt seht ihr auf der Strecke die entsprechenden Steigungen. Oder mit dem + die Details der Strecke vergrößern. Mit gedrückter Maus könnt ihr dann die Karte entlang der Strecke verschieben. 😉